ÜBER DIE FREUDE AM GLÜCK DER ANDEREN

OPENMINDYOGA Blog Hamburg, Kerstin Hilgers, Oppa Jupp, Glück und Freude

oder man muss ooch jönne könne! (Oppa Jupp)
(
„Man muss auch gönnen können.“)

 

Aus Oppa Jupps Garten führte eine Treppe direkt in den Keller, genauer gesagt, direkt in die Waschküche. Einmal im Jahr –im Frühling- tünchte Oppa Jupp den Kellerabgang mit weißer Kalkfarbe – das war sein Frühjahrsputz. Auch die Gartenbank wurde einmal im Jahr generalüberholt – geschliffen, geölt und poliert. Die Ordnung der Dinge war wiederkehrend.

Einmal trug es sich zu, dass sich meine Mutter Hedi zeitgleich zu Oppa Jupps Treppenauffrischung anschickte, eine Stehlampe in fröhlich – orange zu lackieren. (Wir reden hier von den Siebzigern!) Jupp hatte die Wände geweißt, war stolz auf sein Werk, Hedi hatte die Lampe lackiert, war stolz auf ihr Werk. Jupp war ordentlich und hat Pinsel und Farbe sorgsam weggeräumt – Hedi nicht. Tschuldigung Hedi, ich weiß, dass Du an sich ordentlich bist ! (Falls Mutter den Blog lesen sollte…)

Das rief mich und mein kreatives Talent auf den Plan. Weiße Wand, oranger Lack, dicker Pinsel, dünner Pinsel – welch göttliche Vorsehung! Glückselig machte sich Oppa Jupps Enkelin  ans Werk. Weiße Wände sind wie leere Leinwände: Langweilig! Ich begann meine Mission am Fuße der Kellertreppe, arbeitete mich Stufe für Stufe nach oben nicht ohne die weiße Wand mit orangefarbenen Männchen, Blümchen, Tierchen, Strichen und Punkten zu verzieren.

Ich war glücklich!

Oben angekommen betrachtete ich voller Stolz mein Werk und stellte fest, dass die orange Farbe noch lange nicht zur Neige gegangen war. Graue Gehwegplatten sind wie graue Leinwände: Langweilig! Und Schwupps – war das Drumherum auch mit kubistisch anmutenden Malereien versehen. Tief versunken in mein Tun arbeitete ich mich Platte für Platte voran – ums halbe Haus herum, bis vor die Verandatür.

Dort flammte das Inferno! Nicht, wie ihr vielleicht denken mögt, ein schimpfender Jupp…nein, gerade als ich mich in Vollendung meines Werks befand – die Farbe ging zur neige – beschlich mich das unangenehme Gefühl: ich werde beobachtet.
Dann atmete es sehr laut und direkt vor mir. Als ich langsam auf sah, schaute ich in die abgründigste Hölle meines kleinen Lebens. Ein riesiges Ungetüm starrte auf mich herab, mit blauer Zunge, hechelnd und Geifer lief ihm aus dem Maul. Bestimmt qualmte es auch. Ich ließ die Pinsel fallen und stürmte brüllend ins Haus: „Ein Löwe, ein Bär, ein Löwe, ein Bär…“

Mutter Mary, meine Oma, die aus der Küche nach draußen stürzte, sah noch das Hinterteil von Nachbars Chow Chow, der einen Ausflug in unseren Garten gemacht hatte.

Nun, wie ist die Geschichte ausgegangen? Man sollte meinen, dass ich mächtig Ärger bekommen habe. Hab ich nicht. Der Schock, den mir das „Ungeheuer“ versetzt hatte, war „Strafe“ genug.

Tatsächlich betrachtete Oppa Jupp mein Werk, sagte: „Neeee, wat schön, Keenk!“ (Nein, wie schön, Kind!), ließ es wie es war, zeigte es stolz den Menschen, die da kamen und freute sich darüber. Und weil er sich so darüber freute, freuten sich auch die Menschen darüber. Im Frühjahr darauf, als es wieder Zeit war, die Kellertreppe zu streichen, holte er die weiße Farbe, brachte mir ein großes Holzbrett, Pinsel und bunte Farbtöpfe und während er die Treppe weißte, bemalte ich das Brett mit einem Portrait von Oppa Jupp. Das Brett gibt es noch heute.

Oppa Jupps Rheinische Weisheit „Man muss ooch jönne könne“ wird in dieser Geschichte sehr deutlich und auch die tiefe Weisheit, die dahinter steckt:

Freue Dich über das Glück anderer Menschen und vervielfältige so die vorhandene Freude. Zorn, Ärger, Neid und Eifersucht entfernen uns nur von dem Glück, was in uns liegt. Teilen ist mehr. Geteilte Freude ist potenzierte Freude.

Jede/r hat ein Recht darauf Glück und Freude zu erfahren und beides in vollen Zügen zu genießen!

Danke, Oppa Jupp!!!

OPENMINDYOGA Hamburg Blog, Kerstin Hilgers auf Entdeckungsreise, Glück

Auf dem Foto bin ich etwas jünger, als zur Treppenmalereizeit. Im Hintergrund sieht man die langweiligen, grauen Gehwegplatten. Links neben mir sieht man einen Hund. Das ist nicht der Zerberus aus meiner Geschichte. Das ist Bella, eine alte Dackeldame, die auf mich aufpasste und zur Familie gehörte. Wenn ich nicht gerade über den Gartenzaun kletterte, um auf Entdeckungstour zu gehen. Da kam sie nämlich nicht rüber.

(Ich habe lange geglaubt, niemand würde meine Ausflüge bemerken! Leider zeugen viele Fotos davon, dass ich doch beobachtet wurde…)

 

2 Antworten auf „ÜBER DIE FREUDE AM GLÜCK DER ANDEREN“

  1. Liebe Kerstin,
    was für ein Segen, solch einen Oppa gehabt zu haben! Deine Geschichten von Oppa Jupp berühren mich sehr. Ich sehe sie schon als gebundenes Bändchen in Buchhandlungen stehen. Irgendwie sind mir ja Bücher doch geheuerer.
    Alles Liebe und danke
    sagt Renate

  2. Du bist süß, liebe Renate! Ein gebundenes Bändchen über Oppa Jupp! Der hätte von einem Ohr zum Anderen gegrinst und gesagt: „Wat mutt, dat mutt!“
    Danke, alles Liebe,
    Kerstin

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